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Unbegleitetes Fahren mit 17 nur unter engen Voraussetzungen

Mindestalter für Autofahrer: Behörden müssen bei Ausnahmegenehmigungen für 17-jährige Auszubildende "restriktiv" vorgehen.

Die Führerschein-Behörden dürfen 17-Jährigen das unbegleitete Fahren von Pkw nur in engen Grenzen erlauben: Es müssen außergewöhnliche Umstände gegeben sein, die zu einer unzumutbaren Härte für den Jugendlichen oder seine Angehörigen führen. Dafür genügt nicht, dass der Jugendliche mit dem Auto bequemer zum Ausbildungsort kommt, dass für seine Familie damit organisatorische Vorteile entstehen oder dass öffentliche Verkehrsmittel sich verspäten. Der Jugendliche muss alle zumutbaren Möglichkeiten nutzen, um den Ausbildungsort ohne Ausnahmegenehmigung zu erreichen. Dies hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts entschieden. Die Regelungen über das "Begleitete Fahren mit 17" sind von dieser Entscheidung nicht betroffen.

In dem Verfahren ging es um einen 17-Jährigen aus Wittingen, Ortsteil Knesebeck, der seit September 2007 in Gifhorn eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert. Er verwies darauf, dass die Bahn immer wieder zu spät in Gifhorn angekommen sei; einmal sei er deswegen ungefähr 10 Minuten zu spät im Betrieb erschienen und habe Ärger bekommen. Weil er Angst habe, den Ausbildungsplatz zu verlieren, fahre er zur Zeit mit seiner Mutter, die das auf Dauer aber nicht leisten könne: Sie müsse zwei jüngere Geschwister, die in Wittingen zur Realschule gehen, zum 2 Kilometer entfernt liegenden Bahnhof Knesebeck oder zur Schule fahren. In seinem Fall müsse man schon deswegen eine Ausnahme machen, weil er seit April 2007 im Rahmen des Modellprojekts "Begleitetes Fahren mit 17" mehrere 1000 Kilometer in Begleitung gefahren sei; alle Begleitpersonen hätten ihm bescheinigt, dass er sicher und aufmerksam fahre. Der Landkreis Gifhorn lehnte den Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme vom Mindestalter ab. Der beim Verwaltungsgericht gestellte Antrag des 17-Jährigen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte keinen Erfolg.

Die Richter entschieden, dass das Niedersächsische Verkehrsministerium die Führerschein-Behörden zu Recht anweise, Ausnahmen vom Mindestalter für das unbegleitete Fahren "restriktiv" zu genehmigen. Dies sei nach den verkehrswissenschaftlichen Erkenntnissen geboten. Nach der Verkehrsunfallstatistik seien junge Fahranfänger besonders häufig und überproportional an Unfällen im Straßenverkehr beteiligt. Die Ursachen dafür lägen vor allem auch in der besonderen Entwicklungssituation Jugendlicher, die sich nach wissenschaftlichen Studien insbesondere in einer erhöhten Risikobereitschaft und einer weniger realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zeige. Darüber hinaus verfügten 17-Jährige nach wissenschaftlichen Untersuchungen in der Regel noch nicht über die zum Führen von Pkw erforderliche Leistungsfähigkeit. Eine Ausnahmegenehmigung dürfe daher nur erteilt werden, wenn dem Jugendlichen und seinen Angehörigen sonst besonders schwerwiegende Nachteile drohen, die gewichtiger seien als die Verkehrsrisiken. In der Regel müsse die Behörde von dem Jugendlichen außerdem verlangen, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über die Fahreignung vorzulegen. Die strengen Anforderungen seien hier nicht erfüllt.

Auch bei einer erneuten Verspätung bestehe gegenwärtig nicht die ernsthafte Gefahr des Ausbildungsplatzverlustes. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die einmalige Unpünktlichkeit am Ausbildungsplatz auf die Verspätung der Bahn zurückzuführen gewesen sei. Sobald die Probezeit abgelaufen sei, bestünden erhebliche rechtliche Hürden für eine Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb. Unabhängig davon sei derzeit unter Berücksichtigung aller Umstände nicht ersichtlich, dass es der Mutter unzumutbar sei, den Antragsteller noch ca. 6 Wochen - bis zu seinem 18. Geburtstag - nach Gifhorn zu fahren: Den jüngeren Geschwistern könne zugemutet werden, mit der Bahn oder dem Bus zur Schule zu fahren; einem Schüler der Sekundarstufe I sei es grundsätzlich auch zuzumuten, den 2 Kilometer langen Weg bis zum Bahnhof zu Fuß zurückzulegen. Dass der Antragsteller bereits geraume Zeit erfolgreich in Begleitung fahre, reiche allein für eine Ausnahme zum unbegleiteten Fahren nicht aus: Die Hilfestellung, die ein Begleiter nach dem Prinzip "4 Augen sehen mehr als 2" leisten könne, sei bei unbegleitetem Fahren gerade nicht gewährleistet.

(Aktenzeichen: 6 B 411/07)

Hintergrund:

Das Mindestalter für eine Fahrerlaubnis der Klasse B oder C1E (die der alten Klasse 3 entspricht) beträgt grundsätzlich 18 Jahre (§ 10 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung).

Davon können Ausnahmen genehmigt werden (§ 74 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung), in Niedersachsen durch die Landkreise und kreisfreien Städte als Fahrerlaubnisbehörden. Die Genehmigung steht im Ermessen der Behörde. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkretisiert jetzt die rechtlichen Grenzen für die Ermessensausübung.

Davon zu unterscheiden ist die Möglichkeit, im Rahmen des Modellprojekts "Begleitetes Fahren ab 17" einen Führerschein schon vor dem 18. Geburtstag zu erhalten, der nur in Begleitung genutzt werden darf (siehe § 48 a der Fahrerlaubnis-Verordnung). Der Jugendliche muss dazu eine normale Führerscheinprüfung bestehen. Die begleitende Person muss bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, z. B. mindestens 30 Jahre alt sein. Die Namen der zugelassenen Begleiter sind in einer Prüfungsbescheinigung einzutragen. Wird er 18, so ist dem Betroffenen auf Antrag ein normaler Führerschein auszuhändigen (weitere Informationen z. B. unter www.begleitetes-fahren.de).

Artikel-Informationen

erstellt am:
25.02.2008
zuletzt aktualisiert am:
30.06.2010

Ansprechpartner/in:
Vizepräsident/Pressesprecher Dr. Torsten Baumgarten

Verwaltungsgericht Braunschweig
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Tel: 0531 488-3018 oder -3020
Fax: 05141 593733001

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